Traumatherapie

Reite den Tiger (P. Levine)

Psychische Folgen von traumatischen Erlebnissen werden in ihrer Häufigkeit und in ihren Auswirkungen auf die körperliche und seelische Gesundheit immer noch unterschätzt. Das Spektrum reicht von Autounfällen, Operationen, Diagnoseschock bei schwerer Erkrankung bis zu Überfall, Vergewaltigung, Missbrauch und Misshandlung. Menschen, die von Berufs wegen häufig mit schrecklichen Ereignissen konfrontiert werden (z.B. Rettungssanitäter, Polizisten, U-Bahn-Fahrer) werden längst professionell traumatherapeutisch betreut. Traumafolgen sollten weder bagatellisiert noch als aus der Kindheit stammende Entwicklungsstörung oder als Ausdruck unbewusster Konflikte  gesehen werden. Bei unbewältigbarem Stress kann der Schrecken  nicht verarbeitet werden und es kommt es zu einer fehlenden Verknüpfung von sensorischen Erinnerungen und Affektivität sowie einer fehlenden Einbindung in biographische Zusammenhänge. Dies kann heute mit spezieller Methodik wirkungsvoll und schnell behandelt werden.

Psychotherapeutische Traumabehandlung sollte heute auf Erkenntnissen der Neurowissenschaften fußen. Durch das Erleben eines Traumas im Sinne eines unbewältigbaren Stresses wird eine Veränderung der synaptischen Verbindungen im Nervensystems hervorgerufen.

Unter neurobiologischen Gesichtspunkten wird durch unbewältigbaren Stress das Hintergrundempfinden in Richtung „Gefahr!“ verändert. Es bilden sich „Als-ob-Schleifen“, in denen das traumatische Erleben immer wieder und wieder abläuft, oft nur auf Körperebene, ohne dass es zu einer Lösung kommt. Die „Schallplatte“ hat einen Sprung und spielt immer wieder dieselbe Musik. Das Sprachzentrum ist unter Extremstress blockiert. Kinder mit traumatisierenden Lebenserfahrungen  sind auch kaum in der Lage, innere Zustände einschließlich ihrer Gefühle verbal zu fassen. Vollständige verbale Erinnerungen an stark besetzte Erlebnisse gibt es nicht vor dem Alter von 2 – 3 Jahren, wohl aber nonverbale Erinnerungen, oft in Form von Körperwahrnehmungen. Führende Gedächtnisforscher haben festgestellt, dass die verbale Psychoanalyse andere Gedächtnissysteme anspricht als die körperorientierte Psychotherapie, die mit „Körpererinnerungen“ arbeitet. Eine Theorie und Technik zur Behandlung von Traumata lernte ich schon vor 20 Jahren kennen. Damals absolvierte ich meine mehrjährige Ausbildung zum Bioenergetischen Analytiker in der Nachfolge von Wilhelm Reich, einem der prominentesten Schüler von Sigmund Freud. Die Psychoanalyse hatte damals  Realtraumata noch nicht wiederentdeckt. Ich war begeistert, wie viel des bioenergetischen Erfahrungswissens durch die neurobiologischen Erkenntnisse der letzten Jahre wissenschaftlich gestützt wird.

Um die „Als-ob-Schleifen“ zu durchbrechen, ist konkreter sensorischer Input über die Körperschleife notwendig. Daraus ergeben sich an therapeutischen Prinzipien für die Behandlung Traumatisierter: Vermittlung konkret körperlich erlebter Sicherheit auf nonverbaler/präverbaler Ebene, Förderung einer entspannten parasympathikotonen Reaktionslage, Nutzung nonverbal–körpertherapeutischer Informationskanäle und Reprozessing des traumatischen Materials durch  feinfühlig dosierte Konfrontation.

In letzter Zeit  ist das EMDR zur Behandlung von Traumen sehr bekannt geworden (Eye Movement Desensitization and Reprocessing). Seine Wirksamkeit ist in über 20 Studien nachgewiesen und wird von mir in der Behandlung Traumatisierter angewandt.

Auch EMDR soll wirken, in dem es im Trauma entstandene neuronale Komplexe anspricht und verändert. Durch seitenwechselnde sensorische Stimulation über Augenbewegungen, Geräusche oder Berührung wird die Aufmerksamkeit aktiviert und die Verarbeitung (reprocessing) ansonsten abgekapselter Komplexe angeregt. Nach Diagnostik und einer oft monatelangen Stabilisierungsphase wird der Patient in der Verarbeitungsphase aufgefordert, sich innerlich auf eine Erinnerung an das Trauma zu konzentrieren. Das kann ein Erinnerungsbild sein („Täter mit Messer“), aber auch eine Körpererinnerung, ein Geruch oder Geräusch. Der Patient vergegenwärtigt sich dazu den durch das Trauma entstandenen Leitgedanken („Ich bin hilflos“) sowie das begleitende Gefühl („Angst im Bauch“). Gleichzeitig beginnt der Therapeut mit der Stimulation, bis der emotionale Druck der Erinnerung abnimmt und eine neue Bewertung („Ich habe überlebt!“) möglich wird, die dann wiederum körpertherapeutisch verankert wird.

 

 

Zusammenfassung

Unter neurobiologischen Gesichtspunkten wird durch unbewältigbaren Stress das Hintergrundempfinden in Richtung „Gefahr!“ verändert. Dies wird bei einer posttraumatischen Belastungsstörung durch die Bildung von „Als-ob-Schleifen“ perpetuiert. Um diese zu durchbrechen, ist konkreter sensorischer Imput über die Körperschleife notwendig. Daraus ergeben sich an therapeutischen Prinzipien für die Behandlung Traumatisierter: Vermittlung konkret somatisch erlebter Sicherheit auf nonverbaler/präverbaler Ebene,  Förderung einer entspannten parasympathikotonen Reaktionslage, Nutzung nonverbal–körpertherapeutischer Informationskanäle, Evozierung impliziter Gedächtnisinhalte und Reprozessing des traumatischen Materials durch feinfühlig dosierte Konfrontation.

By viewpoint of neurobiology unbearable stress changes background emotion in the direction of danger. In posttraumatic stress disorder this perpetuates in the built-up  of as-if-loops. To interrupt them real sensory input is necessary thus activating the body loop. This leads us to therapeutic principles in the treatment of traumatized people: mediation of somatically experienced safeness on an nonverbal or preverbal level, fostering a parasympathetic response level, use of nonverbal information input channel by means of bodyoriented psychotherapy, evocation of implicit memories and reprocessing of the traumatic material by gently dosed confrontation.

 

 

Dr. med. Karl-Klaus Madert - Whistlerweg 30 - D-81479 München